Down Syndrom

Down Syndrom

PD Dr. Dr. Birgit Zirn

gen.ial-Autorin PD Dr. Dr. Birgit Zirn fasst hier die wichtigsten klinischen und genetischen Aspekte des Down-Syndroms zusammen und gibt einen Einblick in die derzeitige Debatte zur vorgeburtlichen Diagnostik.

Die frühesten Darstellungen von Menschen mit Down-Syndrom finden sich auf Keramiken und in Form von Terracotta-Figuren aus der Zeit um 2500 vor Christus. In der Malerei sind Gesichtszüge des Down-Syndroms erstmals auf italienischen und niederländischen Gemälden des 15. und 16. Jahrhunderts zu erkennen. Erste wissenschaftliche Beschreibungen der Symptome des Down-Syndroms erfolgten durch die französischen Ärzte und Psychiater Jean-Etienne Dominique Esquirol (1772-1840) und Edouard Séguin (1812-1880). Sie waren es auch, die erstmals in ihren Studien zwischen geistigen Behinderungen und psychiatrischen Erkrankungen unterschieden und spezielle Einrichtungen für geistig Behinderte gründeten. Noch einmal ein paar Jahrzehnte später begann in England die systematische Untersuchung der speziellen geistigen Behinderung, die heute als Down-Syndrom bekannt ist.

John Langdon Down im Alter von 55 Jahren (1883)

John Langdon Down auf der Spur des "Mongolian Type"

1866 veröffentlichte der englische Arzt John Langdon Down (1828-1896) eine sehr präzise Beschreibung von Symptomen und Charaktereigenschaften, die er bei einer Gruppe von mehr als 10 Prozent der von ihm betreuten geistig Behinderten beobachtet hatte.
 
 
John Langdon Downs Söhne führten die Arbeit des Vaters fort. Hier der älteste Sohn mit seiner Frau und zwei Kindern. Eines der Kinder hat das Down-Syndrom - dieser Enkelsohn von John Langdon Down war ein guter Billard-Spieler und wurde 65 Jahre alt.
 
Er beschreibt die Gesichtsmerkmale als „Mongolian Type“, da er Ähnlichkeit zum Volksstamm der Mongolen sah (vgl. Auszüge aus J. L. Downs Veröffentlichung von 1866 auf Seite 5). Dies prägte über Jahrzehnte die Bezeichnung des Down-Syndroms als „Mongolismus“ und unterstrich den zu dieser Zeit vorherrschenden Glauben an die unterschiedliche Wertigkeit der verschiedenen Ethnien. John Langdon Down selbst soll sich jedoch zu Lebzeiten von diesem Begriff distanziert haben. Offiziell wurde die Bezeichnung „Down-Syndrom“ erst Anfang der 1960er Jahre eingeführt. Der Ausdruck „Mongolismus“ war zunehmend als diskriminierend und rassistisch besetzt wahrgenommen worden. Zudem hatte die WHO einstimmig einen von Einwohnern der Mongolei gestellten Antrag angenommen, mit der Bitte, den Begriff „Mongolismus“ nicht mehr zu verwenden. Als Vorreiter der „modernen Behinderten-Pädagogik“ erkannte John Langdon Down die Bedeutung einer angemessenen Förderung von behinderten Menschen. In der von ihm gegründeten Einrichtung „Normansfield“  für  geistig behinderte Menschen in Teddington gab es bereits eine große Aula für regelmäßige Theateraufführungen der Bewohner. Zudem dokumentierte Down Langzeitverläufe des Down-Syndroms und fotografierte Menschen mit Down-Syndrom in mehreren Lebensphasen (zum Beispiel „Mary“, siehe Fotos). Durch den  medizinischen  Fortschritt,  insbesondere  die Operationsmöglichkeiten der angeborenen  Herzfehler vieler Menschen mit Down-Syndrom, haben die Lebenserwartung und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich zugenommen. Bei einer angemessenen Förderung von Beginn an steht Kindern mit Down-Syndrom häufig ein erfülltes Leben bevor. Dennoch brauchen viele während ihres gesamten Lebens individuell angepasste Hilfen.
 
 
Eine von Downs-Patienten - Mary mit 19 Jahren.



Mary mit 58. Sie lebte bis zu ihrem Tod in der von John Langdon Down gegründeten Einrichtung Normansfield

Die häufigste Form: "freie" Trisomie 21

1959 entdeckte der französische Genetiker Jérôme Lejeune (1926-1994), dass eine Überdosierung von genetischer Information des Chromosoms 21 zum Down-Syndrom führt. Er beschrieb die Trisomie 21 mit einem zusätzlich vorliegenden Chromosom 21. Eine solche sogenannte „freie“ Trisomie 21 findet sich bei etwa 95 Prozent der Menschen mit Down-Syndrom. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind mit einer freien Trisomie 21 geboren wird, steigt mit dem Alter der Mutter. Statistisch bekommt etwa eine von 100 Frauen im Alter von 40 Jahren ein Kind mit Down-Syndrom (1 Prozent). Dieses „Altersrisiko“ ist durch die zunehmende Anfälligkeit der Chromosomen für Fehlverteilungen in der Keimzellbildung bedingt. Es handelt sich jedoch um jeweils neu und zufällig auftretende Fehlverteilungen, die nicht mit einem deutlich erhöhten Wiederholungsrisiko  für ein Down-Syndrom bei Geschwistern und weiteren Familienangehörigen eines Betroffenen einhergehen.

Erbliche Formen des Down-Syndroms

In selteneren Fällen (ca. 5 Prozent) wird das Down-Syndrom durch andere Chromosomenveränderungen von Chromosom 21 verursacht. Dann kann das Wiederholungsrisiko deutlich erhöht sein.
Nur eine Chromosomenanalyse bei einem Kind oder Erwachsenen mit Down-Syndrom bringt Klarheit, welche Form vorliegt und ob ein Vererbungsrisiko besteht. Im klinischen Erscheinungsbild gibt es keine Unterschiede zwischen der freien Trisomie 21, der Translokations-Trisomie 21 und anderen Chromosomenstörungen des Down-Syndroms.

Sichere Diagnostik vor der Geburt

Mit der Fruchtwasserpunktion und anschließender Chromosomenanalyse (erstmals durchgeführt 1966) wurde  es möglich, eine Trisomie 21 und andere Chromosomenstörungen des Embryos sicher zu erkennen. Eine Trisomie kann auch die Chromosomen 13 (Trisomie 13 = Pätau-Syndrom) und 18 (Trisomie 18 = Edwards-Syndrom) betreffen. Auch hierfür besteht eine „altersabhängige“ Zunahme des Risikos. Eine Fruchtwasserpunktion ist ab der 15./16. Schwangerschaftswoche möglich. Bis das endgültige Ergebnis vorliegt, vergehen meist zwei Wochen. Vorab kann ein „Schnelltest“ zum Nachweis bzw. Ausschluss  von  Trisomien der Chromosomen 13,18 und 21 sowie zahlenmäßiger Veränderungen der Geschlechtschromosomen durchgeführt werden. Das Ergebnis liegt nach einem Tag vor. Alternativ kann  bereits ab der 11. Schwangerschaftswoche eine Gewebeentnahme aus dem kindlichen Mutterkuchenanteil  (Chorionzottenbiopsie) erfolgen. Eine Darstellung der kindlichen Chromosomen ist bereits nach ein bis zwei  Tagen in der  urzzeit-Kultur möglich. Somit können Trisomien und Abweichungen der Geschlechtschromosomen schnell und sicher erkannt bzw. ausgeschlossen werden. In der Langzeit-Kultur, die meist nach zwei Wochen auswertbar ist, können zudem Strukturveränderungen der Chromosomen (z. B. Translokationen) erkannt werden. Die Fruchtwasserpunktion und die Chorionzottenbiopsie sind invasive Verfahren, die mit einem geringen Eingriffs-bedingten Risiko für Komplikationen und Fehlgeburten einhergehen. Das Risiko, ein Kind infolge einer solchen Untersuchung durch eine Fehlgeburt zu verlieren, wird mit bis zu 0,5 Prozent (1:200) angegeben.Werden eine Trisomie 21 oder andere Chromosomenstörungen festgestellt, ist grundsätzlich nach ausführlicher Beratung und Bedenkzeit ein Schwangerschaftsabbruch möglich, wenn die Schwangere dies wünscht. Zurzeit entscheiden sich etwa 90 Prozent der betroffenen Eltern für einen Abbruch.

Risikoabschätzung mit Erst-Trimester-Screening

Das Erst-Trimester-Screening (ab 12. Woche) erlaubt eine Abschätzung, ob beim Embryo ein erhöhtes Risiko für eine Trisomie 21 vorliegt. Es ergibt sich ein individuelles Risiko für die jeweilige Schwangerschaft, das deutlich präziser als das alleinige altersbedingte Risiko ausfällt. Neben der Trisomie 21 (Down-Syndrom) wird auch ein Risikowert für die Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) und die Trisomie 13 (Pätau-Syndrom) angegeben. Beim Erst-Trimester-Screening wird mit Ultraschall im Bereich des Nackens nach vermehrter Wassereinlagerung gesucht (Nacken-Transparenzmessung; NT-Messung). Zusätzliche Blutparameter der Mutter  (biochemisches  Screening: freies ß-hCG und PAPP-A) erhöhen die Genauigkeit. Hundertprozentige  Sicherheit gibt das Erst-Trimester-Screening nicht, da ausschließlich etwa 90 bis 95 Prozent der Schwangerschaften mit einer Trisomie 21 im Erst-Trimester-Screening auffällig werden. Die Wahrscheinlichkeits-Angabe Erst-Trimester-Screenings dient jedoch vielen werdenden Eltern als Entscheidungshilfe für oder gegen eine invasive Diagnostik (Fruchtwasserpunktion oder Chorionzottenbiopsie). Die Nackenfalten-Messung sowie weitere frauenärztliche Ultraschall-Untersuchungen können auch auf andere Chromosomenstörungen sowie kindliche Organ-Fehlbildungen (z. B. Herzfehler) hinweisen.

NIPT - die neuen Pränataltests

NIPT ist die Abkürzung für nicht-invasive molekulargenetische Pränataltests. Für deren Durchführung ist ausschließlich eine Blutprobe der Mutter (zwei Röhrchen) notwendig. Somit besteht kein Fehlgeburtsrisiko  durch die Untersuchung. Untersucht wird auf die kindlichen Trisomien 13, 18 und 21. Das sind die drei Trisomien, die mit steigendem Alter der Mutter häufiger werden und mit der Geburt eines lebensfähigen Kindes einhergehen können. Weitere Trisomien (z. B. Trisomie 16) führen dagegen praktisch immer zu einer Fehlgeburt, meist in der Früh-Schwangerschaft.Seit 2012 werden in Deutschland NIPT-Verfahren hauptsächlich von drei Firmen angeboten (vgl. Tabelle auf Seite 8). Bei den US-amerikanischen Firmen übernehmen deutsche Labore den Versand der Blutproben. Die Kosten müssen bislang selbst getragen werden, es kann jedoch bei der Krankenkasse ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt werden. Das Ergebnis liegt meist nach zwei Wochen vor. Bei Anzeige einer Trisomie ist derzeit ein invasives Verfahren (Fruchtwasserpunktion oder Chorionzottenbiopsie) zur Bestätigung erforderlich.

NIPT - wie sicher sind die Tests?

In der beginnenden 10. Schwangerschaftswoche (ab diesem Zeitpunkt werden die NIPT-Verfahren angeboten) enthält das Blut der meisten Schwangeren zwischen 4 und 20 Prozent kindliche DNA (sog. zellfreie fetale DNA). Auswertbar sind die Tests ab 4 Prozent kindlichem DNA-Anteil. Die Erbsubstanz wird vervielfältigt, sequenziert (einzelne Bausteine werden gelesen) und bioinformatisch ausgewertet. Dabei wird analysiert, ob die Dosis der Chromosomen 13, 18 und 21 im Vergleich zu anderen Chromosomen erhöht ist und somit der Hinweis auf eine Trisomie besteht. Die Sicherheit der Tests kann methodisch bedingt nie 100 Prozent erreichen! Für die Trisomie 21 wird eine Sensitivität von 99 Prozent (1 Prozent falsch negativ) und eine Spezifität von 99,5 Prozent (0,5 Prozent falsch positiv) von den Firmen angegeben. Sensitivität und Spezifität bei der Erkennung der Trisomie 13 und 18 werden von den Herstellern unterschiedlich angegeben, vermutlich liegen diese Werte niedriger als bei Trisomie 21.

Ausblick: Wie geht es weiter?

Die neuen NIPT-Verfahren bergen die Gefahr, als „Screening-Tests“ ohne nennenswerte Risiken bereits früh in der Schwangerschaft „unkritisch“ und „großflächig“ eingesetzt zu werden. Bisher ist der erwartete „breite Ansturm“ jedoch ausgeblieben. Ein Teil der Schwangeren entscheidet sich sogar bewusst gegen jegliche vorgeburtliche Untersuchung. Andere empfinden die neuen NIPT-Verfahren als segensreiche Möglichkeit, die häufigsten Chromosomenstörungen untersuchen zu können, ohne das Risiko einer Fehlgeburt durch ein invasives Verfahren eingehen zu müssen. NIPT-Verfahren werden weiterentwickelt, demnächst erfassen sie auch einige Mikrodeletions-Syndrome (z. B. DiGeorge-Syndrom: klinische Merkmale sind Herzfehler und variable Entwicklungsstörung). Denkbar sind längerfristig auch eine Dosismessung über das gesamte Genom (gesamtes Erbmaterial/alle Chromosomen) und Einzel-Gen-Analysen. Werdende Eltern benötigen also immer mehr Informationen, um sich individuell entscheiden zu können. Eine ausführliche Beratung beim Frauenarzt und Genetiker erscheint wichtiger denn je!

Das Down-Syndrom

Merkmale und Fakten:

  • Häufige genetische Ursache einer geistigen Entwicklungsstörung (ca. 1 auf 700 Neugeborene)
  • Häufige Symptome:
    • Äußere Merkmale: aufsteigende Lidachsen, kleine Hautfältchen im inneren Augenwinkel (Epikanthus), flaches Profil mit flacher hervorstehender Zunge, kleine weiße Bindegewebsknötchen auf der Iris (Brushfield-Flecken), kurzer Hals, kurze Finger und Zehen (Brachydaktylie), querverlaufende Furchen an  den Handinnenflächen („Vierfingerfurchen“)
    • Muskelschwäche (Muskelhypotonie): insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern
    • Herfehler (ca. 50 Prozent): häufig sind Defekte der Herzscheidewand
    • Fehlbildungen des Magen-Darm-Trakts (ca. 10 Prozent): Fehlbildung des Zwölffingerdarms (Duodenalatresie) und fehlende Nervenversorgung im Dickdarm(Morbus Hirschsprung)
    • Immunsystem: erhöhte Infektanfälligkeit bei vielen Kindern
    • Blutkrebs (Leukämie) bei etwa 1 Prozent
    • Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose) bei 30 Prozent der Erwachsenen
    • Erwachsenengröße: häufig zwischen 1,40 und 1,60 Meter
    • Lebenserwartung: durchschnittlich über 50 Jahre, Haupttodesursachen im Kindesalter sind schwere Herzfehler und Fehlbildungen des Magen-Darm-Trakts
    • im Alter vermehrt Demenzerkrankungen (Morbus Alzheimer)
  • Genetische Ursachen:
    • 95 Prozent freie Trisomie 21 mit einem zusätzlichen "frei" vorliegenden Chromosom 21, kein wesentlich erhöhtes Wiederholungsrisiko für weitere Kinder und andere Familienmitglieder, zunehmende Häufigkeit mit steigendem Alter der Mutter
    • 5 Prozent Strukturveränderungen mit Überdosierung von Chromosomenmaterial 21, z. B. Translokations-Trisomie 21, Mosaik-Trisomie 21, Isochromosom 21; Wiederholungsrisiko erhöht!
  • Chromosomenanalyse: Sie unterscheidet zwischen erblichen und nicht-erblichen Formen des Down-Syndroms.